18. Juli 2025
Zwangsversteigerungen werden von vielen Immobilienkäufern noch immer unterschätzt. Dabei können sie ein ausgesprochen attraktives Instrument sein, um hochwertige Objekte deutlich unter Marktwert zu erwerben – sofern man strukturiert vorgeht und typische Risiken ausschaltet. Der folgende Leitfaden zeigt Schritt für Schritt, wie man in Österreich bei Gerichtssaal-Auktionen klug agiert, Fallstricke erkennt und am Ende ein echtes Schnäppchen statt eines Sanierungs-Albtraums mit nach Hause nimmt.
Zwangsversteigerungen entstehen, wenn ein Kreditnehmer seine Verpflichtungen gegenüber der Bank nicht mehr bedienen kann. Das Gericht ordnet den Verkauf an, um die Gläubiger aus dem Erlös zu befriedigen. Für den Interessenten ergeben sich daraus mehrere Vorteile:
„Wer seine Hausaufgaben macht, kann bei der Zwangsversteigerung dieselbe Rendite erzielen wie bei einem Off-Market-Deal – nur ohne intransparenten Bieterdruck.“
Information ist der entscheidende Schlüssel, um Fehlinvestitionen zu vermeiden. Drei Dokumente beziehungsweise Termine sollte der Käufer in jedem Fall studieren:
Der vollständige Akt umfasst in der Regel:
Alle Unterlagen können kostenlos am zuständigen Bezirksgericht eingesehen werden. Oft steht das Exposé zusätzlich online auf justiz.gv.at zur Verfügung.
Das Gericht setzt – meist zwei bis vier Wochen vor der Versteigerung – einen offiziellen Besichtigungstermin fest. Dabei sollte man:
Einzubauen ist hier stets eine gewisse Reserve: Tauchen im Altbau nachträglich Hausschwamm oder Leitungsdefekte auf, kann die Sanierungsrechnung schnell fünfstellig werden.
Eine solide Finanzierungsstruktur ist bei Zwangsversteigerungen Pflicht, da der Zuschlagspreis binnen weniger Wochen einzuzahlen ist.
Kostenposition | Typischer Anteil am Zuschlagspreis | Fälligkeit |
---|---|---|
Zuschlagspreis | 100 % | 6 bis 8 Wochen |
Grunderwerbsteuer | 3,5 % | Bei Eintragung ins Grundbuch |
Eintragungsgebühr | 1,1 % | Mit der Steuer gemeinsam |
Gutachter- & Gerichtskosten | 0,5–1 % | Sofort nach Versteigerung |
Die Bank benötigt meist den Bietungsrahmen, um ein unwiderrufliches Zahlungsversprechen („Finanzierungsbestätigung“) auszustellen. Ohne dieses Dokument lässt das Gericht selten zu, dass ein privater Bieter ein Zuschlaggebot abgibt.
Während der Auktion geht das Objekt wie besichtigt über. Deshalb sollte man folgende Stolpersteine ausschließen:
Ein kurzer Blick ins Lastenblatt genügt oft nicht. Expertisen von Anwälten oder Grundbuchsachverständigen sind ihr Geld mehrfach wert, wenn sie verhindern, dass unvermarktbare Grundstücksteile oder Abrissverpflichtungen erworben werden.
Im Versteigerungssaal treffen unterschiedliche Charaktere aufeinander – vom Profi-Investor bis zum Erstkäufer. Ein strategisches Vorgehen steigert die Erfolgsaussichten erheblich:
„Erfolgreich ist nicht der, der am lautesten ruft, sondern der, der seinen Taschenrechner im Griff hat.“
Mit dem Hammerschlag ist das Objekt zwar rechtlich gesichert, doch organisatorisch beginnt nun eine neue Phase:
Der Gerichtskommissär teilt die Einzahlungstermine mit. Hier ist Präzision gefragt, denn schon geringe Verzögerungen lösen Verzugszinsen aus.
Nach Einzahlung aller Kosten wird der Eigentumswechsel in der C-Einlage eingetragen. Erst dann kann man über das Objekt frei verfügen.
Ein Investor ersteigerte 2022 eine 78 m² große Altbauwohnung zum Zuschlagspreis von 168 000 €. Das Schätzungsgutachten lag bei 240 000 €. Nach 35 000 € Renovierung wurde die Wohnung für 950 € monatlich vermietet. Die Bruttoanfangsrendite stieg auf 6,3 % – deutlich über dem Grazer Durchschnitt von 3,5 %.
Entscheidend war, dass im Vorfeld Abflussrohre und Elektrik geprüft wurden. Dadurch blieben die Kosten im Rahmen und keine bösen Überraschungen traten auf.
Muss ich beim Termin persönlich anwesend sein?
Nein, eine schriftliche Bietvollmacht ist erlaubt, sollte aber beglaubigt sein.
Kann die Bank das Objekt zurücknehmen, wenn das Gebot zu niedrig ist?
Ja, Gläubigerbanken besitzen ein Mitbietrecht und können den Zuschlag verhindern, falls ihre Forderungen nicht gedeckt wären.
Sind Energieausweise immer aktuell?
Nicht zwingend, hier lohnt ein Blick auf das Ausstellungsdatum und ggf. eine Nachberechnung.
Zwangsversteigerungen in Österreich sind kein Glücksspiel, sondern ein kalkulierbares Investitionsverfahren. Wer
– die Unterlagen gründlich prüft,
– einen klaren Finanzierungsplan aufstellt und
– während der Auktion Disziplin bewahrt,
kann Immobilien weit unter Marktpreis sichern und zugleich rechtlich sauber erwerben. Die Kombination aus Transparenz und Preisvorteil macht Versteigerungen zu einer spannenden Alternative am von Angebotsschwankungen geprägten Immobilienmarkt. So lassen sich schlechte Käufe vermeiden – und gute Geschäfte realisieren.